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Es werden Posts vom Oktober, 2015 angezeigt.

Die Heldin von Danzig

Fot. EP    Der deutsche Filmregisseur Volker Schlöndorff hörte vor ein paar Jahren von Anna Walentynowicz und beschloss, auf der Grundlage ihrer turbulenten Biografie einen Film zu drehen. Gekonnt hat er in seinem neuesten Werk «Strajk - Die Heldin von Danzig» ihren entschlossenen Kampf gegen die kommunistischen Unterdrücker dargestellt. Er hat wohl aber nicht damit gerechnet, dass die kleine Frau mit derselben Kompromisslosigkeit und Prinzipientreue nun gegen seine Vision der polnischen Geschichte kämpfen könnte.    Ihr ganzes Leben hat sich die Kranfahrerin aus der Lenin-Werft für die Gerechtigkeit eingesetzt. Wegen ihrer Entlassung im Jahre 1980 brach der Streik in Danzig aus. Er war der erste Stein in der Lawine namens «Solidarnosc», die das Regime zu Bruch gehen liess. Nun protestiert Anna Walentynowicz heftig dagegen, dass im Spielfilm ihr Lebenslauf und die Entstehungskulissen der ersten unabhängigen Gewerkschaft Osteuropas manipuliert werden. Dem deutschen Regisseur, d

Ältere Brüder

    Fot. EU    Ich bin ein Einzelkind. Trotzdem habe ich ältere Brüder. Ab und zu entdecke ich ihre Spuren selbst, und manchmal werde ich an sie erinnert. Wie das letzte Mal in Kazimierz Dolny, einem mittelalterlichen Städtchen an der Weichsel. Der bei polnischen Künstlern für seine malerische Lage und das Ambiente beliebte Ort zwischen Warschau und Lublin wurde diesmal zum Hintergrund für schwierige Themen.    «Braucht das Christentum den Judaismus?» hiess einer der Vorträge, die in Kazimierz Dolny gehalten wurden. Im Kuncewiczowka-Museum haben sich vor allem Jugendliche versammelt. Sie wurden vom dortigen Priester dahin geführt. Der Ausgangspunkt für eine geplante Diskussion waren das Buch von Johannes Paul II. «Erinnerungen und Identität» sowie der Begriff «ältere Brüder im Glauben», mit dem der verstorbene Papst die Juden bezeichnete.    Diesen Ausdruck gebrauchte zum ersten Mal Mitte des 19. Jahrhunderts Andrzej Towianski, ein Mystiker und geistiger Meister vieler E

Ich Europäerin

    Fot. UKIE     Wer bin ich eigentlich? Jahrelang war ich eine Osteuropäerin, dann, in den neunziger Jahren, erfuhr ich, dass ich eine Mitteleuropäerin bin, und seit kurzem nennt man mich «Neu-Europäerin». Dabei habe ich nie meine Heimat gewechselt - seit 42 Jahren lebe ich in Polen. Seit einem Jahr ist mein Land Mitglied der Europäischen Union.     Was ist die EU? Mit dem Begriff «Europa» habe ich ähnliche Schwierigkeiten wie Augustinus mit dem Begriff «Zeit» - wenn niemand danach fragt, weiss ich, worum es geht. Wenn jemand Genaueres wissen will, kenne ich keine Antwort. Zuerst bekam ich schöne mythologische Worte zu hören: Demokratie, Freiheit, Vaterland. Kurz danach vernahmen meine Ohren zeitgenössische Ausdrücke: Nettoempfänger, Nettozahler, Billiglohnländer. Nicht weniger attraktiv klangen einst «fraternité», «solidarité», «égalité». Heute werden diese Worte von anderen überdeckt - «acquis communautaire», «negotiations», «délocalisation».    I ch kann nicht glauben,

Ortsnamen

  Eine Glosse aus der Zeit, als die Grenzen in Europa noch nicht ge ä ndert wurden... Fot. Maria Graczyk   In den letzten Jahren hat der Name dieses Ortes für mich immer harmloser zu klingen begonnen. Seit ein paar Wochen assoziiere ich ihn sogar mit Palmen, netten Menschen und Sonne. Ist das der «Vergangenheitsbewältigung» oder dem Tourismus zu verdanken? Die Krimtataren nannten ihn Dschalita, vom griechischen «Jalos», Ufer. Dann, Ende des 18. Jahrhunderts, kamen die Russen, und sie bauten die aus dreizehn Häusern bestehende Siedlung in ein schönes Städtchen aus. Es erhielt den Namen Jalta.  Für die Russen wurde die Ortschaft zum aparten Kurort, und für uns Polen, Tschechen, Ungarn wie für die anderen Völker hinter dem Eisernen Vorhang - zum Symbol des Verrats. In meiner Schulzeit war Stalin in Polen schon passé, Roosevelt hingegen ganz in Ordnung. Nach dem Präsidenten der feindlichen, weil imperialistischen Vereinigten Staaten war in Poznan (Posen), meiner Heimatstadt,