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Es werden Posts vom 2015 angezeigt.

Fünf Buchstaben

Fot. EP Es sind f ü nf Buchstaben, die zum Zittern bringen. Auf Deutsch, Polnisch, Russisch und Ukrainisch bilden sie ein schreckliches Wort – Krieg, wojna, vojna, vijna. Ein Wort, dass in Europa immer abstrakter klang. Wir hoerten es im Radio oder Fernsehen, manche lasen es in den Buechern oder auf den Smartphones. Aber zu Hause? Nein, nie. Bis es ploetzlich an unsere T ü r klopfte. Pater Joseph Maria Bocheński, einst Rektor der Fribourger Universtitaet, aergerte sich ueber ein anderes Wort – Pazifismus. Der ehemalige polnische Kavallerist, gleichzeitig Dominikaner und Philosoph war fuer seine kontroversen Bemerkungen bekannt. „Die Pazifisten sind fuer die Kriege verantwortlich. Sie ruesten die friedlichen Staaten ab, und in den kriegerischen duerfen sie ihre Ideen nicht verbreiten“ – hoerte ich 1994 von ihm erstaunt. Tausend Kilometer weiter im Osten verzichtete gerade ein Land auf sein Atomarsenal und bekam im Gegenzug ein Dokument. Das Budapester Memorandum, unterz

Die Heldin von Danzig

Fot. EP    Der deutsche Filmregisseur Volker Schlöndorff hörte vor ein paar Jahren von Anna Walentynowicz und beschloss, auf der Grundlage ihrer turbulenten Biografie einen Film zu drehen. Gekonnt hat er in seinem neuesten Werk «Strajk - Die Heldin von Danzig» ihren entschlossenen Kampf gegen die kommunistischen Unterdrücker dargestellt. Er hat wohl aber nicht damit gerechnet, dass die kleine Frau mit derselben Kompromisslosigkeit und Prinzipientreue nun gegen seine Vision der polnischen Geschichte kämpfen könnte.    Ihr ganzes Leben hat sich die Kranfahrerin aus der Lenin-Werft für die Gerechtigkeit eingesetzt. Wegen ihrer Entlassung im Jahre 1980 brach der Streik in Danzig aus. Er war der erste Stein in der Lawine namens «Solidarnosc», die das Regime zu Bruch gehen liess. Nun protestiert Anna Walentynowicz heftig dagegen, dass im Spielfilm ihr Lebenslauf und die Entstehungskulissen der ersten unabhängigen Gewerkschaft Osteuropas manipuliert werden. Dem deutschen Regisseur, d

Ältere Brüder

    Fot. EU    Ich bin ein Einzelkind. Trotzdem habe ich ältere Brüder. Ab und zu entdecke ich ihre Spuren selbst, und manchmal werde ich an sie erinnert. Wie das letzte Mal in Kazimierz Dolny, einem mittelalterlichen Städtchen an der Weichsel. Der bei polnischen Künstlern für seine malerische Lage und das Ambiente beliebte Ort zwischen Warschau und Lublin wurde diesmal zum Hintergrund für schwierige Themen.    «Braucht das Christentum den Judaismus?» hiess einer der Vorträge, die in Kazimierz Dolny gehalten wurden. Im Kuncewiczowka-Museum haben sich vor allem Jugendliche versammelt. Sie wurden vom dortigen Priester dahin geführt. Der Ausgangspunkt für eine geplante Diskussion waren das Buch von Johannes Paul II. «Erinnerungen und Identität» sowie der Begriff «ältere Brüder im Glauben», mit dem der verstorbene Papst die Juden bezeichnete.    Diesen Ausdruck gebrauchte zum ersten Mal Mitte des 19. Jahrhunderts Andrzej Towianski, ein Mystiker und geistiger Meister vieler E

Ich Europäerin

    Fot. UKIE     Wer bin ich eigentlich? Jahrelang war ich eine Osteuropäerin, dann, in den neunziger Jahren, erfuhr ich, dass ich eine Mitteleuropäerin bin, und seit kurzem nennt man mich «Neu-Europäerin». Dabei habe ich nie meine Heimat gewechselt - seit 42 Jahren lebe ich in Polen. Seit einem Jahr ist mein Land Mitglied der Europäischen Union.     Was ist die EU? Mit dem Begriff «Europa» habe ich ähnliche Schwierigkeiten wie Augustinus mit dem Begriff «Zeit» - wenn niemand danach fragt, weiss ich, worum es geht. Wenn jemand Genaueres wissen will, kenne ich keine Antwort. Zuerst bekam ich schöne mythologische Worte zu hören: Demokratie, Freiheit, Vaterland. Kurz danach vernahmen meine Ohren zeitgenössische Ausdrücke: Nettoempfänger, Nettozahler, Billiglohnländer. Nicht weniger attraktiv klangen einst «fraternité», «solidarité», «égalité». Heute werden diese Worte von anderen überdeckt - «acquis communautaire», «negotiations», «délocalisation».    I ch kann nicht glauben,

Ortsnamen

  Eine Glosse aus der Zeit, als die Grenzen in Europa noch nicht ge ä ndert wurden... Fot. Maria Graczyk   In den letzten Jahren hat der Name dieses Ortes für mich immer harmloser zu klingen begonnen. Seit ein paar Wochen assoziiere ich ihn sogar mit Palmen, netten Menschen und Sonne. Ist das der «Vergangenheitsbewältigung» oder dem Tourismus zu verdanken? Die Krimtataren nannten ihn Dschalita, vom griechischen «Jalos», Ufer. Dann, Ende des 18. Jahrhunderts, kamen die Russen, und sie bauten die aus dreizehn Häusern bestehende Siedlung in ein schönes Städtchen aus. Es erhielt den Namen Jalta.  Für die Russen wurde die Ortschaft zum aparten Kurort, und für uns Polen, Tschechen, Ungarn wie für die anderen Völker hinter dem Eisernen Vorhang - zum Symbol des Verrats. In meiner Schulzeit war Stalin in Polen schon passé, Roosevelt hingegen ganz in Ordnung. Nach dem Präsidenten der feindlichen, weil imperialistischen Vereinigten Staaten war in Poznan (Posen), meiner Heimatstadt,

Gefiederte Grenzgänger

An der polnisch-russischen Grenze leben mehr Störche als Menschen Paul Flückiger, Zywkowo Plötzlich endet die alleengesäumte Landstrasse. „Staatsgrenze“ heisst es auf einer Tafel, ein Fahrverbotschild prangt daneben. Davon unbeeindruckt stolziert ein Storch im Regen über den Asphalt, hält am Strassenrand und macht wieder kehrt. Hier endet Polen, ein halber Kilometer nördlich beginnt die Oblast Kaliningrad (dt. Königsberg) und damit Russland. Nur noch links abbiegen geht, nach Zywkowo, dem Ort mit der grössten Storchendichte in Polen. Zwischen Kühen und kleinwüchsigen Pferden gehen die Gefiederten, zwei Tümpel neben der Landstrasse geben ihnen auf der polnischen Seite ein ideales Jagdrevier ab. Neun Gehöfte mit insgesamt 23 Einwohnern, dazu aber über 40 Storchennester haben dem Ort 13 Kilometer nördlich von Gorowo Ilawiecki (Landsberg/Ostpreussen) selbst auf Landkarten den Zusatz „Storchendorf“ eingebracht. Begonnen hatte alles in den Siebzige

„Sind auf dieser Welt, um unsere Spuren zu hinterlassen“

Fot. Faustyna.pl Weltjugendtag. In seiner Abschlussrede in Krakau wettert Papst Franziskus gegen den Kult des Erfolgs um jeden Preis und die Bequemlichkeit. Paul Flückiger  ( Krakau )  Sengende Hitze, heftige Gewitterschauer und ein fröhliches Gedränge auf den Pilgerwegen zum Feld der Barmherzigkeit im Krakauer Vorort Brzegi prägten den letzten Besuchstag von Papst Franziskus in Polen. Nach manchen Quellen drängten sich bis zu drei Millionen vor den Toren der altehrwürdigen Stadt, um mit Franziskus den Abschluss des sechstägigen Weltjugendtags zu feiern. Aus Sicherheitsgründen war das Gelände großflächig für den öffentlichen Verkehr abgesperrt, Scharfschützen sicherten den Papst. Dass sich niemand in Polen von der Angst vor Terroranschlägen einschüchtern ließ, sollten die Massen von Teilnehmern beweisen, die sich zur Abschiedsmesse des Papstes versammelt hatten. Das Regierungsfernsehen TVP zeigte neben dem Papst immer wieder das fast vollständig anwesende Ministerkabi

Eine Party für den guten Papst

Fot. Diecezja.pl Gottes-Rapper, Christen- Rock und Abertausende tanzende Jugendliche: Polens konservative Kirchenmänner verunsichern die ausgelassenen Feiern beim Weltjugendtag. Paul Flückiger (Krakau) Fast bis zur Oesterreichischen Apotheke (polnisch: Apteka Austriacka) an der Krupnicka-Straße haben sich die Pilgerscharen gestaut. Sie wollen zurück zu den Błonia-Wiesen, wo die christliche Band New Life'M zusammen mit einem halben Dutzend weiterer Pop- und Rockgruppen den 1050. Jahrestag der Christianisierung Polens feiert. Auch Pater Jakub Bartczak, Polens bekanntester Gottes-Rapper, tritt dort auf. Doch für die singenden und tanzenden Pilger aus aller Herren Länder zählt vor allem das Zusammensein. „Es ist einfach eine total coole Stimmung“, schwärmt der junge Vorarlberger Daniel Pickart, der sich spontan einer deutschen Pilgergruppe aus Bad Waldsee angeschlossen hat. Mit einem übergroßen österreichischen Adler und einer klitzekleinen deutschen Flagge ziehen s