Fot. Diecezja.pl
Gottes-Rapper, Christen- Rock und Abertausende
tanzende Jugendliche: Polens konservative Kirchenmänner verunsichern die
ausgelassenen Feiern beim Weltjugendtag.
Fast bis zur Oesterreichischen Apotheke (polnisch: Apteka Austriacka) an
der Krupnicka-Straße haben sich die Pilgerscharen gestaut. Sie wollen zurück zu
den Błonia-Wiesen, wo die christliche Band New Life'M zusammen mit einem halben
Dutzend weiterer Pop- und Rockgruppen den 1050. Jahrestag der Christianisierung
Polens feiert. Auch Pater Jakub Bartczak, Polens bekanntester Gottes-Rapper,
tritt dort auf. Doch für die singenden und tanzenden Pilger aus aller Herren
Länder zählt vor allem das Zusammensein.
„Es ist einfach eine total coole Stimmung“, schwärmt der junge Vorarlberger
Daniel Pickart, der sich spontan einer deutschen Pilgergruppe aus Bad Waldsee
angeschlossen hat. Mit einem übergroßen österreichischen Adler und einer
klitzekleinen deutschen Flagge ziehen sie seit drei Tagen durch die Krakauer
Altstadtgassen und treffen sich mit Gleichgesinnten. Zuhause würden ihn seine
Freunde auslachen, wenn er vom Weltjugendtag erzähle, sagt Pickart, der
offensichtlich eine Art Maskottchen der Pilgergruppe ist. „Dabei ist das hier
so etwas Gutes und Schönes – und einfach auch eine tolle Party“, sagt Pickart.
Ein paar Schritte weiter führt eine portugiesische Pilgerschar vor, dass
dafür auch zwei Gitarren und drei Dutzend junge Stimmen genügen. Damit ziehen
sie der Błonia-Wiese zu und loben abwechselnd den Herrn und seinen obersten
Diener, Papst Franziskus.
Dieser hat gerade vor 800.000 Teilnehmern eine multimedial auf riesige
Fernsehbildschirme übertragene Kreuzwegsprozession mit Filmeinblendungen mit
mahnenden Erläuterungen über die gelebte Barmherzigkeit abgeschlossen. Wie
schon bei der Begrüßungszeremonie zum Auftakt seiner fünftägigen Polenreise
durch den nationalkonservativen polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda am
Mittwochabend mahnt Franziskus auf der Błonia-Wiese auch vor den Gläubigen die
Aufnahme von Flüchtlingen an.
„Heute Abend umfasst Jesus – und wir mit ihm – mit besonderer Liebe unsere
syrischen Brüder und Schwestern, die vor dem Krieg geflohen sind“, predigt der
Papst. „Wir grüßen sie und nehmen sie mit geschwisterlicher Liebe und Sympathie
auf“, sagt Franziskus zu einer Menschenmenge, unter der sich vor allem
Einheimische, darunter viele geistliche wie weltliche polnische Würdenträger
befinden. In den Schwachen, Kranken, Heimatvertriebenen und Migranten würde der
Christ seinen Gott finden. „Dort berühren wir den Herrn“, erklärt Franziskus
und fordert zum Abschluss die jungen Teilnehmer des Krakauer Weltjugendtags zu
mehr Engagement auf. „Liebe junge Freunde, heute Abend richtet der Herr erneut seine
Einladung an euch, Vorkämpfer im Dienen zu werden; er möchte aus euch eine
konkrete Antwort auf die Nöte und Leiden der Menschheit machen“, sagte der
79-jährige Pontifex Maximus mit eindringlich starker Stimme.
Mit Kind und Kegel. Viele Einheimische sind mit Kind und Kegel in den leicht erreichbaren Sektor E2 gepilgert, näher an den Altar lassen die Sicherheitskräfte seit einiger Zeit keinen mehr. Nun schauen manche zu Boden und schweigen. Regierung und viele Vertreter des Klerus haben sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen vor allem aus dem islamischen Kulturkreis ausgesprochen. Umfragen zeigen, dass sie dabei von der Mehrheit der Polen unterstützt werden.
Mit Kind und Kegel. Viele Einheimische sind mit Kind und Kegel in den leicht erreichbaren Sektor E2 gepilgert, näher an den Altar lassen die Sicherheitskräfte seit einiger Zeit keinen mehr. Nun schauen manche zu Boden und schweigen. Regierung und viele Vertreter des Klerus haben sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen vor allem aus dem islamischen Kulturkreis ausgesprochen. Umfragen zeigen, dass sie dabei von der Mehrheit der Polen unterstützt werden.
Ein
angehender Priester aus Tarnów im Osten von Krakau sagt jedoch im Gespräch, es
sei doch klar, dass die Flüchtlinge auch bald nach Polen kommen würden. „Ich habe davor keine Angst“, sagt er und sammelt dann eine Gruppe junger
Frauen um sich, um sie zurück in die Massenunterkunft in einer nahen Turnhalle
zu geleiten.
Medien umwerben Pilger. Glücklich über Franziskus' Predigt ist auch Miguel Kapembe Kangue. „Der Papst ist ein guter Mann“, sagt der der aus Angola angereiste Pilger. Er schätze an Franziskus vor allem seine Bescheidenheit und tiefe Menschlichkeit, sagt der Angolaner und betont, er habe keine Probleme gehabt, ein Visum für seine Polenreise zu erhalten.
Medien umwerben Pilger. Glücklich über Franziskus' Predigt ist auch Miguel Kapembe Kangue. „Der Papst ist ein guter Mann“, sagt der der aus Angola angereiste Pilger. Er schätze an Franziskus vor allem seine Bescheidenheit und tiefe Menschlichkeit, sagt der Angolaner und betont, er habe keine Probleme gehabt, ein Visum für seine Polenreise zu erhalten.
Für einmal zeigt sich das Land auch nach dem massiven Rechtsrutsch vom
vergangenen Herbst aufgeschlossen und weltoffen. Der von dem polnischen Papst
Johannes Paul II. angeregte Katholische Weltjugendtag wird von dem nach neuen
Mediengesetzen mittlerweile gleichgeschalteten staatlichen Radio, dem Fernsehen
und der Presseagentur PAP bereits seit Monaten heftig umworben. Korrespondenten
wurden bereits im März angewiesen, möglichst viel über Pilgergruppen zu
berichten, die am Weltjugendtag in Krakau teilnehmen wollten. Die Organisation
ist in der Tat fast perfekt, sehr viele der 39.000 zusätzlich eingesetzten
Polizeibeamten können auch englisch. Das von der EU wegen rechtsstaatlichen
Mängeln gerügte Polen will sich von seiner besten Seite zeigen.
Zum Weltjugendtag hin veröffentlichte der „Tygodnik Powszechny“ eine Glaubensstudie unter 18- bis 24-jährigen Polen, die zeigt, dass sich die Zahl der Atheisten seit dem Tod Johannes Paul II. verdoppelt hat, gleichzeitig aber junge Polen die katholischen Glaubensinhalte – abgesehen von der Sexualethik, die eine große Mehrheit, wie in Westeuropa, inzwischen ablehnt – ernster nehmen als die älteren Erwachsenen. Papst Franziskus ist demnach für 78 Prozent der jungen Polen die größte moralische Autorität in ihren Leben.
Patriotische
Botschaft für Papst. „Tod den Feinden des Vaterlandes!“, heißt es dennoch auf einem T-Shirt
eines jungen Polen, der am Abend vor dem sogenannten Papstfenster, der
Unterkunft des Papstes im Bischofspalast an der Franziskanerstraße, seit
Stunden geduldig aus das Erscheinen Franziskus' wartet. Der patriotische Slogan
passt bestens in die Stimmung, die von der Kaczyński-Regierung täglich
angeheizt wird, im fröhlichen Trubel des Weltjugendtages wirkt er jedoch wie
ein Fremdkörper. „Es gibt eben auch Rassisten unter uns, die keine Flüchtlinge
hier wollen“, sagt ein junger Pole und ringt nach Erklärungen. Viele hätten
eben Angst vor dem Fremden, sagt er. Dabei sei doch Multikulti etwas Schönes,
so wie eben jetzt gerade am Weltjugendtag.
Mit 1,5 Millionen Gläubigen rechneten die Veranstalter. 39.000 zusätzliche Polizisten bewachten das internationale Pilgertreffen. Aus Österreich waren 3000 Jugendliche angereist.
Diese Reportage ist am 30. Juli 2016 in "Der Presse" erschienen.
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