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Polen bekommt einen neuen Heiligen - Priester Jerzy Popieluszko

Der Solidarnosc-Priester Jerzy Popieluszko wird am Sonntag selig gesprochen. Die katholische Kirche hat damit anerkannt, dass der anti-kommunistische Priester aus Polen mehr als ein politischer Aktivist war.
 
Paul Flückiger, Warschau (2010)
 
Wer Mitte der Achtzigerjahre unweit der Offizierssiedlungen der Polnischen Volksarmee die Stanislaw Kostka-Kirche besuchte, traute seinen Augen nicht. Über einem immer frisch mit Blumen geschmückten Grab konnte man Transparente und Insignien entdecken, die in ganz Polen verboten waren. Der Grabstein trug die schlichte Inschrift Priester Jerzy Popieluszko – 1947-1984. Bis zu einer halben Million Polen hatten an seinem Begräbnis teilgenommen. Statt einen Kritiker aus dem Wege zu schaffen, hatte sich das kommunistische Regime einen Martyrer geschaffen. Dem Geheimdienst, der den Priester 1984 ermordet hatte, blieb nur noch, die Besucher seines Grabes zu beschatten.

Zu seiner Seligsprechung werden am Sonntag erneut Hunderttausende erwartet. Da der Innenhof seiner einstigen Dienstkirche solche Massen nicht fassen kann, wird auf dem zentralen Warschauer Pilsudcki-Platz gebetet, zuletzt Schauplatz der Trauerfeierlichkeiten für das bei Smolensk abgestürzte Präsidentenpaar. Über 1300 Priester werden Popieluszko in den untersten Heiligenrang erheben und danach mit seinen Reliquien stundenlang durch Warschau paradieren.

Dabei hatte lange nichts für eine besondere Karriere Jerzy Popieluszkos gesprochen. Der einfache Bauernsohn aus Ostpolen diente nach seiner Weihe 1972 in verschieden Warschauer Vororten und wurde schliesslich Geistlicher für das Medizinische Personal. Doch dann kam 1980 der Streik in der Danziger „Leninwerft“. Ende August desselben Jahres meldet er sich für eine Messe in der von Arbeitern besetzten „Warschauer Stahlhütte“, einer einstigen Kaderschmiede der KP. „Pater Jerzy predigte einfach, er war volksnah und ehrlich“, erinnert sich der damalige Streikführer Karol Szadurski. Popieluszko lässt sich bald selbst ins Solidarnosc-Betriebskomitee wählen. 

Nach der Einführung des Kriegsrechts Ende 1981 liest er im ganzen Land regierungskritische „Messen für das Vaterland“ und wird damit zum Helden der Untergrund-Solidarnosc. Am 19. Oktober 1984 halten als Polizisten verkleidete Geheimdienstagenten seinen Wagen auf, Popieluszko wird entführt, gefoltert und mit Steinen beschwert in einen Weichsel-Stausee geworfen. Der Volkszorn nach dem Leichenfund elf Tage später lässt das Regime schleunigst vier Schuldige finden und zu langen Haftstrafen verurteilen. Die Hintermänner sind bis heute unbekannt. Vermutet werden sie im engsten Umfeld General Jaruzelskis. Doch bewiesen ist nichts. Auch Mördern müsse man vergeben, sagt die hochbetagte Marianna Popieluszko, Jerzys kürzlich 100-jährig gewordene Mutter. „Ich danke Gott, dass er mir erlaubt hat, diesen Moment noch zu erleben“.
 


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